Thujas Rezensionen

tbc - „chicago 2“ (CD-R)

Mahlende, schleifende, fräsende Noise-Drones mit mikrorhythmischen Elemtenten: Thomas Beck und Hans Fallopen kreieren hier gemeinsam mit Tapes, Plattenspielern, Sampler und Effekten eine brachiale steady-state Front, die es in sich hat. Schön auch das selbstgemachte Fotocover mit einem Gebäude, welches ähnlich monolithisch wirkt wie der sound. Heftig, einnehmend, absorbierend.
thuja

The Sonics of Art Spaces

http://www.stasisfield.com/releases/year06/sf-6001.html
Eine Sammlung von tracks, die sich mit der Akustik von Kunstmuseen und Galerien aus aller Welt befasst. 15 Tracks und ein wunderschönes Cover sind zu dieser besonderen field-recording-Compilation zusammengestellt. Künstler wie Glenn Bach, Anne Guthrie, John Kannenberg, My Fun und Steve Roden haben das MoMa, die Fassade von Notre Dame, das British Museum und viele andere Räume besucht und audiografiert. Manche Aufnahmen hören sich an, als wären sie noch bearbeitet worden. Andere klingen pur. Herausgekommen ist ein sehr kontemplatives, erzählendes Album, welches die inneren Bilder des Zuhörers aufgreift und auf eine akustische Besichtigungstour mitnimmt.
thuja

Trommeln der Schamanen

http://www.musethno.unizh.ch/de/ausstellungen/2007/schamanentrommeln/schamanentrommeln.html

„Trommeln der Schamanen“ ist eine sehr interessante Ausstellung im Völkerkundemuseum der Universität Zürich. Die über 80 ausgestellten Artefakte kommen aus Skandinavien, Sibirien, Alaska und dem Himalaya. Schon die Website zu dieser Ausstellung lohnt den Besuch. In Wort, Bild und Soundfile wird die Tradition der Schamanentrommeln in Regionen mit authentischem Schamanismus dokumentiert. Vier längere Klangbeispiele aus den Jahren 1915 bis 2006 lassen an der archaischen Klangwelt schamanischer Rituale mit Trommeln, Rasseln, Glocken und Stimmen teilhaben. Horizonterweiternd und bereichernd!
thuja

www.monocromatica.com/netlabel/index.htm
Netlabel
Test tube ist ein portugiesisches Netlabel, welches internationale Nachwuchskünstler präsentiert, die neue Klangsprachen erforschen. Es ist ein Sublabel von Monocromatica, wird aber im Gegensatz dazu das veröffentliche Material immer umsonst vertreiben. Stilistisch ist man bei test tube nicht festgelegt. Es gibt elektronische wie auch akustische Releases und alle möglichen Spielarten dazwischen und genau so unterschiedlich ist auch die Musik. Zu jeder Neuerscheinung gibt es ein ebenfalls frei downloadbares Artwork von eingeladenen Künstlern und Designern. Auf test tube ist seit 2004 ein großer Katalog an veröffentlichtem Material zusammengekommen, der blogartig auf der Startseite des Labes präsentiert wird. Von dort aus gelangt man zu den sehr ausführlichen und umfangreichen Einzelseiten der einzelnen Releases. Toll ist, daß man sich nicht sofort die mp3s herunterladen muß, sondern sich jedes Werk Track für Track in einem Player anhören kann.

Aus der breiten Auswahl auf test tube möchte ich drei geräuschhaft-ambiente Veröffentlichungen vorstellen: test tube 085 (www.monocromatica.com/netlabel/releases/tube085.htm) - das gut 34 Minuten lang Stück „Self Preservation intact with teeth“ von Christopher McFall, spielt mit urbanen field recordings, die ausschnitthaft bearbeitet und zu einer vielschichtigen, abstrakten Klanglandschaft verdichtet werden. McFall spannt hierbei einen kompositorischen Spannungsbogen, der den Hörer auf eine intensive und niemals langweilige Reise durch von mahlenden, maschinenhaften und organischen Klängen begleitete Flächen und Räume mitnimmt.

test tube 087 (www.monocromatica.com/netlabel/releases/tube087.htm) “plano vertical“ ist von Juan Jose Calarco aus Buenos Aires. Geräusche wie von Maschinen, brizzelnde Elekrizität, Dampf, Krach, Stimmen, Schritte, Wind und Wasser in ganz großen Räumen hinterlassen einen Eindruck eines endzeitlichen Trips durch eine Stadt. Düstere, unwirtliche Szenarien tauchen vor dem geistigen Auge auf. In angemessenem Tempo wird der Zuhörer von den Klängen durch diesen Ort geführt. Einer Zeitmaschine gleich könnte das ganze auch aus ferner Zukunft stammen. Ein ganz großes Album zwischen Komposition und Hörspiel!

testtube 102 (www.monocromatica.com/netlabel/releases/tube102.htm)
Krypton „Silent Drama“ von Krzysztof Berg ist schwebend, weit und kühl wie das namengebende Edelgas Krypton. Ein wenig erinnert mich diese Veröffentlichung an GAS, aber Krypton ist unique und klingt auch mehr synthetisiert als gesamplet. Unendlich langsam schichten sich bei Krypton die Soundlayer über- und ineinander, hier und dort von percussiven Elementen ein wenig beschleunigt. Kühl und hell, meditativ und raumfüllend breitet sich Krypton in den Gehörgängen aus. Erfrischende Entspannung!
thuja

TOMORROW COLLECTIVE s/t CD-R (Selbstverlag)

Eine 30-minütiges Demo-CD-R - leider keine weiteren Infos. E-Gitarre. Electronik-Bleeps. Schlagzeug. Melodica. Suchende, sehr improvisiert wirkende Tracks. Einige davon filligran und leicht, andere spielerisch orientierungslos. Gewinnt in der Auseinandersetzung - ich bin gespannt, wohin die Reise geht.
tomorrow.collective@web.de
thuja

www.tonatom.de
Tonatom ist eine nonkommerzielle Netzkultur Plattform mit Audio, Video und podcasts. Seit 2002 kuratiert man die Auswahl der Artists und Releases mit dem Schwerpunkt auf elektro / ambient / experimental für Audio und Video. Und es hat sich seitdem wirklich viel gutes versammelt dort! Man kann sich schon ein paar Tage ausschließlich mit Tonatom beschäftigen. Daher gebe ich jetzt keine weiteren Tips zu einzelnen Releases sondern empfehle ein lustvolles Selbstentdecken - es lohnt sich!
thuja

THE DEAD TEXAN - s/t (kranky)

the dead texan sind Adam Bryanbaum Wiltzie und Christina Vantzos, welche hiermit ein wunderbares Doppelalbum mit einer Audio- und einer Video-CD produziert haben. Sie  kombinieren zarten, poetischen Ambient und sehr ästhetische Videobilder zu feinen audiovisuellen Stimmungsgeweben. the dead texan beherrschen die hohe Kunst, mit pastellig-poppigen Stilelementen zu zaubern, die bei anderen Leuten schon längst ins Kitschige abgedriftet wären. Alles schwebt durch einen sehr luftigen, aufgeräumten Mikrokosmos und drängt sich nicht auf, hinterlässt aber auch keine langweiligen Leerstellen. Entspannend, bezaubernd, schön und sehr niveauvoll! www.kranky.net
thuja

Toshiya Tsunoda - a respirar da paisagem (Sirr)

Diese CD kann man am besten mit "experimentellen Fieldrecordings" umschreiben.
Tsunoda kartierte Lagerhäuser, Häfen, Ausstellungsräume und private Innenräume.
Im Booklet sind dann auch sämtliche Aufnahmeorte inklusive der Mikrophonanordnungen präzise aufgeführt.
Doch Toshiya Tsunoda veröffentlicht hier mehr als rein dokumentarische Fieldrecordings.
Die Art und Weise, wie die Mikrophone bei den Aufnahmen angebracht sind, ist bestimmend für die Ästhetik der Tracks. So klemmen die Mikros hinter wackeligen Schildern, in im Wind schlagenden Fensterflügeln, an vibrierenden Piers, an Fußbodendielen sowie in und außerhalb von verschiedenen Räumen. Die dadurch entstehenden Neben- und Störgeräusche modulieren die dokumentierten akustischen Ereignisse.
Die Tracks und die dazugehörigen Beschreibungen spiegeln eine außerordentlich aufmerksame Beobachtung und Analyse der akustischen Qualitäten der jeweiligen Umgebungen wieder.
Sehr spannende Ergebnisse eines ungewöhnlichen Ansatzes von zeitloser Schönheit!
http://www.sirr-ecords.com

Thuja

tbc - stendal 1.2 cancelled (stillstand)

5 dichte Tracks mit 70 Minuten Gesamtlänge von dem Hamburger Thomas Beck aka tbc sind auf stendal 1.2 cancelled versammelt.
Aufgenommen wurden sie live in der Bauruine des Atomkraftwerks Stendal.
Zu hören sind wunderschöne, gelassen fließende metallische Texturen, welche wie an verschiedenen Objekten mit Tonabnehmer eingespielt klingen. tbc entlockt seinen Klangerzeugern schabend und rührend feine, fragile Strukturen welche dynamisch-wummernd zu massiven, dichten Klangräumen ausgebaut werden.
Die sensible Tiefe dieser CD beeindruckt auch nach dem X-ten Hören. Geheimtip!
http://www.stillstand.net

thuja

Frédéric Truong "Histoires sons Parole" (FTR)
http://ftr.fr.fm

Dieses Album scheint aus dem Umfeld des Spielzeugmusik-Königs Pascal Comélade zu kommen. Es ist eine liebenswerte Sammlung aus Film-Noir-Musik mit unverkennbarem Musetteeinfluß. Ein wenig wie Eric Satie aus der Spieluhr.
Leider lassen die etwas General-MIDI-mäßige Klavier- und Synthsounds streckenweise unnötige Monotonie entstehen, die bei lebendigeren Sounds nicht aufkommen würde. Aber das ist leider ein häufiges Problem zeitgenössischer Kompositionsarbeit - bei aller Beachtung von Struktur und Harmonik bleibt der Gesamtklang auf der Strecke.
Abgesehen davon dennoch eine Empfehlung für Freunde zarter Preziosen in Moll.

thuja